Fremd sein in Ellrich
Mai 2002
Mai 2002
einige Details
Immer neue Fragen und Erfahrungen in Bezug auf Grenzen und Chancen, Ablehnung oder Verweigerung, Nächstenliebe aber Fremdenhass, Abgrenzung, Weiterentwicklung, Selbstreflexion oder Toleranz und Identität haben uns zu der Idee eines Seminars und schließlich in Zusammenarbeit mit dem Verein “Schrankenlos” zu einem wunderbaren Projekt geführt.
Das Seminar “Fremd sein in Ellrich” gab Einblicke in die Wahrnehmung und den Umgang mit Fremden in einer deutschen Kleinstadt. Im Mittelpunkt standen dabei Menschen, die zu unterschiedlichen Zeiten und aus verschiedenen Gründen “fremd” in der Stadt Ellrich waren und zum Teil noch sind. Dabei schauten wir vor allem auf die Geschichte der Juden, sprachen mit dem ehemaligen KZ Häftling Josef Huybreghts und aus Schlesien Vertriebenen, diskutierten die Situation von Roma und Sinti im öffentlichen Leben, hörten Erfahrungsberichte von pakistanischen und kongolesischen Asylbewerben und dachten über das “deutsch sein” an sich nach. Die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen dieser Bevölkerungsgruppen bot den Ausgangspunkt zur Beantwortung der Fragen: Was bedeutet “fremd sein”? Wann und warum empfanden und empfinden Menschen so? Wie kann Integration realisiert werden?
Die Veränderungen und Kontinuitäten der Wahrnehmung des “Fremden” konnten im Wandel der Zeit dargestellt werden. Die Vorträge und Berichte bildeten dabei die Kommunikationsgrundlage, die es ermöglichte, Menschen aus unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Kontexten im gemeinsamen Dialog zu verbinden. Dieses Seminar bildete damit einen entscheidenden Schritt für die Vereinsarbeit. Ausgehend von der Geschichte des KZ in Ellrich und der damit verbundenen Gedenkstättenarbeit konnte über den historischen Rahmen hinaus ein Bezug zum aktuellen Problem Integration gezogen werden. Die unzureichenden Antworten und die mangelnde Sensibilisierung auf diesem Gebiet verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf, der auf gesellschaftlicher und staatlicher Ebene besteht und welcher kreative Lösungsmodelle notwendig macht.
Fragen und Probleme, die wir im kleinen Kreis diskutierten, haben tagespolitisch hohe Aktualität. Weniger heiß diskutiert bringen sie im Hinblick auf die Existenz menschlicher Nähe und sich aufbauender Beziehungen, den ersten Schritt für ein Verstehen durch ein Aufeinanderzugehen und Zuhören.
Ein wachsender Blickwinkel brachte uns zu dem Seminar, das schließlich zum Anstoss und Aufbruch in eine neue JfD-Zeit wurde. Viele Ideen zur Fortsetzung folgten. Ein kleiner Schritt war sicher das Seminar über Toleranz und Scheintoleranz mit Brita und Clemens im August 2004. Andere Projekte konnten wir bisher weder konkretisieren noch umsetzen, die Komplexität macht es uns schwer. Der Blickwinkel ist weit, sehr weit geworden – über die Region und den Staat, über Ethnien und Religionen hinaus – zu strukturellen Fragen. Die Herausforderung wird in der veranstaltungsbezogenen Themeneingrenzung dieser Vielfalt liegen und schließlich wird man im Detail doch all die komplexen Ideen wiederfinden.